Unser Freund Nathan Gelbart vollendete kürzlich sein elftes Amtsjahr als Deutschland-Vorsitzender des Keren Hayesod – Vereinigte Israel Aktion. Nathan spielte als Führungspersönlichkeit des Keren Hayesod Deutschland jedoch schon zuvor eine herausragende Rolle, denn bereits 2003 schloss er sich dem Kampagnenkomitee des KH Berlin an. Er amtierte als stellvertretender Vorsitzender der deutschlandweiten KH Kampagne (2003-2005), als Vorsitzender der Kampagne des KH Berlin (2004-2006) und ab 2006 als Vorsitzender der nationalen Kampagne des KH Deutschland.
Als er kürzlich in Jerusalem weilte, nutzten wir die Gelegenheit und sprachen mit ihm über diese aktivitätsreichen Jahre, über die Lehren, die er daraus gezogen hat, und welche Perspektiven er für jüdische Angelegenheiten im Allgemeinen und für Israel im Besondern sieht.
„Das Judentum in Deutschland ist die am schnellsten wachsende jüdische Gemeinschaft Europas. Heute leben in Deutschland rund 200.000 Juden“, führte Nathan aus. „Bevor Juden aus Russland und den Staaten der ehemaligen UdSSR eintrafen, lebten in diesem Land gerade einmal 20.000 Juden, bei denen es sich mehrheitlich um Shoa-Überlebende handelte, die nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst in DP Camps unterkamen und sich nachfolgend in Deutschland niederließen; dies oftmals entgegen ihres eigentlichen Wunsches. Viele dachten, dass diese Gemeinschaft im Laufe der Zeit schwinden würde. Heute stammen 80% der deutschen Juden aus den Staaten der ehemaligen UdSSR. In einer Zeit, in der große jüdische Gemeinschaften, wie die französische und die britische, nicht unbedingt einen Ausblick auf eine Zukunft haben, sichern diese Menschen die Zukunft dieser jüdischen Gemeinschaft.“
2014: Der Keren Hayesod widmet die Bibliothek einer Jerusalemer Oberschule der deutsch-jüdischen Führungspersönlichkeit Dr. h.c. Heinz Galinski z“l und seiner Ehefrau Ruth.Von links nach rechts: Nati Metuki, ehem. Direktor der KH-Abteilung Europa; Greg Masel, KH-Generaldirektor; Mirko Freitag, Freund der Familie Galinski; Christian Lange, Mitglied des deutschen Bundestages und parlamentarischer Staatssekretär des deutschen Ministers für Justiz und Verbraucherschutz; Yonat Kaufman, Direktorin der Oberschule, und Nathan Gelbart, Vorsitzender des KH Deutschland.
Die Perspektive, die Nathan für die Zukunft des europäischen Judentums sieht, ist nicht ermutigend: „Im Hinblick auf seine Kontinuität steht das europäische Judentum vor großen Herausforderungen. Auf diesem Kontinent nimmt der Antisemitismus immer mehr zu, da sich Neo-Nazi-Bewegungen des Zuspruchs erfreuen, doch problematische Entwicklungen kann man zudem ebenfalls in der Linken und sogar in Gruppen der Mitte beobachten. Ursprünglich richtete sich die Feindseligkeit nicht direkt gegen Juden, doch da fast jeder Jude an der Seite Israels steht, richtet sich eine anti-israelische Haltung letztlich auch beinahe gegen jeden Juden. Die ‚Kritik an Israel‛ führt zu brennenden Synagogen und dem Skandieren von Parolen wie ‚Tod den Juden‛. Letztlich werden Juden und Israelis gleichgesetzt; es gibt keine Unterschiede mehr zwischen ihnen.“
Die massive Welle der muslimischen Zuwanderung, die Deutschland gegenwärtig erlebt, trägt, wie Nathan weiterführend meint, keineswegs dazu bei, die Befürchtungen der jüdischen Gemeinschaft zu verringern; im Gegenteil. „Die jüdische Gemeinschaft beobachtet diese Entwicklung mit großer Sorge. Wir werden sehen, ob sie den gegenwärtig in diesem Land gegebenen Antisemitismus noch weiter steigert. Viele junge Juden fühlen sich nicht mehr sicher und gehen nach Israel.“
Mit Bezug auf den Keren Hayesod – Vereinigte Israel Aktion umschreibt Nathan die Aufgabe des landesweiten Vorsitzenden als komplex, denn „der jungen Generation das Konzept des KH zu erklären, ist eine sehr viel schwierigere Angelegenheit als dies im Kreis der älteren Generation – der Shoa-Überlebenden und ihrer Kinder – der Fall war. Junge Menschen sind heutzutage sehr viel egozentrischer; sie sehen keine Notwendigkeit, Geld zu spenden oder Unterstützung zu gewähren. Daher brauchen wir neue Führungspersönlichkeiten, die ihnen sehr viel näher stehen und ihre Sprache sprechen.“ Nathan liegt das Thema des Generationswechsels sehr am Herzen, und er hat kein Problem einzugestehen, dass dieses Thema mit Schwierigkeiten verbunden ist. „In Deutschland können wir einige gute Initiativen des KH Young Leadership vorweisen. Wir blicken auf mehrere sehr erfolgreiche Veranstaltungen, haben wir es aber dennoch nicht geschafft, eine Kontinuität aufzubauen.“

2016: "Summer Event" des Keren Hayesod in Berlin -
Nathan Gelbart, Vorsitzender von KH Deutschland, Israels Botschafter
Yacov Hadas-Handelsman, Schriftsteller und Publizist
Henryk M. Broder (
http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/25771
Mit Blick auf die KH-Kampagne im Allgemeinen hat Nathan zwei unschätzbar wichtige Tipps für jeden, der sich engagieren möchte, egal in welcher Kapazität, von Akquisition bis hin zu Leitungsaufgaben. „Erstens ist es wichtig, so schlau zu sein, einen Kompromiss innerhalb der Organisation zu finden, so dass jeder glücklich ist. Da sind die professionellen Mitarbeiter, die ein Gehalt beziehen, doch da sind ebenfalls die ehrenamtlich engagierten Führungspersönlichkeiten und Aktivisten. Der Vorsitzende muss die Zielsetzung verfolgen, dass alle gut und hochmotiviert zusammenarbeiten. Die Ehrenamtlichen, die ihre eigenen Aufgabenbereiche und Aktivitäten haben, erwarten, dass die professionellen Mitarbeiter ihnen rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Die größte Herausforderung eines Vorsitzenden besteht darin, die Erwartungen aller aufeinander abzustimmen und ein koordiniertes, wetteiferndes Team aufzubauen. Der zweite wichtige Tipp für Führungspersönlichkeiten, Ehrenamtliche und Akquisiteure gleichermaßen ist: Scheue nicht davor zurück, Geld und Unterstützung zu erbitten. Einerlei ob du Juden oder Nichtjuden ansprichst, jeder weiß, woher du kommt und was du von ihnen möchtest, frage einfach nach Geld – am besten nach viel Geld – und sei nicht verlegen, denn dann bekommst du gar nichts.“
Als wir ihn fragten, welche der vielen Aktivitäten im Laufe der Jahre ihm besonders in Erinnerung geblieben ist, so antwortete er ohne zu zögern: 2006, der Besuch in Äthiopien. „Es war eine gemeinsame Mission des Keren Hayesod und der Jewish Agency. Wir reisten nach Äthiopien, um vor Ort zu erleben, wie äthiopische Juden auf ihre Alijah vorbereitet werden. Wir unternahmen die gesamte Reise zusammen mit ihnen, von ihrem Gelände in Addis Abeba zum Flughafen, und blieben auch auf dem Flug bis zur Landung in Israel zusammen. Weder meiner Mutter noch meiner Ehefrau erzählte ich im Vorfeld von dieser Reise. Das tat ich erst, als ich wieder zurück in Deutschland war. Es war sehr bewegend, daran teilnehmen zu dürfen. Niemand hatte mich auf diese Erfahrung vorbereitet. Erst dieses Erlebnis ließ mich wirklich verstehen, welche tiefgreifende Bedeutung meinem Engagement zu Gunsten des Keren Hayesod zukommt und um was es bei dieser großartigen Organisation tatsächlich geht. Ich kehrte mit neuem Schwung und Elan zurück; diese Energie hielt viele Jahre lang vor.“
Lieber Nathan, wir sind stolz darauf, Dich zu unseren Führungspersönlichkeiten zählen zu dürfen und danken Dir für Deine Jahre des Engagements als inspirierende Führungspersönlichkeit am Ruder des KH Deutschland. Wir wünschen Dir viele weitere Jahre des Mitwirkens, der guten Gesundheit und der Freude im Kreis Deiner Lieben!